Juanita 
          Brown
          
          Übersetzung von Sabine Bredemeyer
          
          
        
        
         
         
          
          Es 
          ist Freitag, der 27. Januar 1995 - ein sehr verregneter Morgen bei uns 
          in Mill Valley, Kalifornien. Ich schaue aus unserem Fenster und sehe 
          durch die massive Eiche in unserem Patio hindurch, dass dichter Nebel 
          über dem Berg Tamalpais hängt. Ich bin beunruhigt. In einer 
          halben Stunde sollen 20 Personen eintreffen, die bei uns den zweiten 
          Tag eines strategischen Dialogs über "Intellektuelles Kapital" 
          durchführen werden. Mein Partner David und ich leiten diesen Dialog 
          in Zusammenarbeit mit Leiff Edwinsson, dem Direktor für "Intellektuelles 
          Kapital" des Unternehmens Skandia aus Schweden. Dies ist die zweite 
          aus einer Serie von Diskussionen über "Pioniere des Intellektuellen 
          Kapitals" - Führungspersönlichkeiten, Marktforscher und 
          Berater aus sieben Ländern, die auf diesem Gebiet führend 
          sind, kommen hierher.
          
          Der Bereich den "Intellektuellen Kapitals" steckt noch in 
          den Kinderschuhen. Bisher wurde noch kein Buch darüber geschrieben 
          und wir sind noch dabei, das Territorium zu eruieren. Es existieren 
          keine Landkarten. Wir entwerfen sie, während wir die Wege beschreiten. 
          Gestern Abend befanden wir uns inmitten der Frage "Was ist die 
          ausschlaggebende Beziehung zwischen Intellektuellem Kapital und Führung? 
          Worin besteht die Rolle der Führung wenn es um die Maximierung 
          des Intellektuellen Kapitals geht?"
          
          Während ich das Frühstück vorbereite und den Kaffee koche, 
          frage ich mich, wie wir das Treffen managen sollen, wenn der strömende 
          Regen anhält und niemand sich draußen im Patio aufhalten 
          kann, während die Teilnehmer ankommen. David schlägt vor: 
          "Warum stellen wir nicht unsere Fernseh-Tischchen ins Wohnzimmer 
          und lassen die Leute dort Kaffee trinken, während wir auf die Ankommenden 
          warten? Und dann können wir unseren formellen Beginn und das Check-in 
          doch auch dort machen".
          
          Das klingt großartig. Ich atme erleichtert auf. Als David die 
          kleinen Tischchen und die weißen Vinyl-Stühle aufstellt, 
          kommt Tomi Nagai Rothe an und sagt: "Hey, das sieht aus wie Café-Tischchen. 
          Ich denke, sie brauchen Tischdecken." Sie legt weiße Flipchart-Papiere 
          auf die doppelt aufgestellten TV-Tischchen. Nun wird es irgendwie spielerisch. 
          Ich habe aufgehört, mich wegen des Regens zu beunruhigen, der jetzt 
          wie aus Kübeln vom Himmel fällt. Ich entscheide, dass Blumen 
          auf die Café-Tischchen gehören und hole die kleinen Vasen 
          von unten. In der Zwischenzeit legt Tomi farbige Marker auf die Tischchen, 
          genau so, wie in vielen Cafés in der Nähe. Sie malt ein 
          hübsches Plakat für die Hautür: "Willkommen in Homestead 
          Café". Ich finde das sehr lustig, da wir auf der Homestead 
          Straße wohnen, einer engen ungepflasterten Straße, die den 
          Berg hinauf führt.
          
          Gerade, als ich die Blumen auf den Tisch gestellt habe, kommen die ersten 
          Teilnehmer an. Sie sind hocherfreut und amüsiert. Während 
          sie Ihren Kaffee trinken und ihre Croissants essen, versammeln sie sich 
          in lockeren Gruppen um die Café-Tischchen. Sie sind wirklich 
          engagiert. Sie beginnen, auf den Tischdecken zu scribbeln. David und 
          ich stecken kurz die Köpfe zusammen und entscheiden, dass wir anstatt 
          einer offiziellen Eröffnung die Leute ermuntern, einfach mitzuteilen, 
          was aus der gestrigen Konversation "gerade hochgeblubbt kommt", 
          von dem sie denken, dass es Licht auf die Essenz der Beziehung zwischen 
          Führung und Intellektuellem Kapital werfen könnte.
          
          Nach 45 Minuten ist die Konversation noch in vollem Gange. Jemand im 
          Raum ruft: "Ich würde zu gern wissen, was gerade in den anderen 
          Gesprächen hier im Raum vor sich geht. Warum lassen wir nicht an 
          jedem Tisch einen "Gastgeber" zurück, die anderen wechseln 
          an andere Tische, nehmen die Samenkörner ihrer Gespräche mit 
          und verlinken und verweben sie mit den Gedankengängen, die an den 
          anderen Tischen gesponnen wurden?" Diesen Vorschlag finden alle 
          witzig. Nach ein paar Minuten hat man sich geeinigt, und die Leute beginnen, 
          sich im Raum zu bewegen. Ein Gastgeber bleibt an jedem Tisch. Seine 
          ehemaligen Tischmitglieder verteilen sich auf die anderen Tische, um 
          das Gespräch weiter zu führen.
          
          Diese Runde dauert wieder eine Stunde. Nun ist der Raum sehr lebendig!! 
          Die Leute sind angeregt und engagiert, fast schon atemlos. Jemand anderes 
          sagt: "Warum experimentieren wir nicht und lassen jetzt einen anderen 
          Gastgeber am Tisch und die anderen reisen wieder herum und fahren fort, 
          sich mitzuteilen und zu verlinken, was wir schon entdeckt haben."
          
          Und so wird es gemacht. Der Regen fällt in Strömen. Die Leute 
          drängen sich um die TV-Tischchen, lernen gemeinsam, testen Ideen 
          und Annahmen aus, entwickeln neues Wissen, ergänzen die Diagramme 
          und Bilder der anderen und notieren Schlüsselbegriffe und Ideen 
          auf den Tischdecken.
          
          Ich blicke auf und stelle fest, dass es schon bald Mittagszeit ist. 
          Ich habe selbst in den Kaffee-Gesprächen mitgemacht und die Stunden 
          sind vergangen, als sei es nur ein kurzer Moment gewesen. Das Energiefeld 
          im Raum ist greifbar. Es scheint, als würde die Luft schimmern. 
          Ich bitte die Gruppen, langsam die Gespräche zu beenden und sich 
          um das lange Stück Flipchart-Tapete zu versammeln, das Tomi mitten 
          im Wohnzimmer ausgebreitet hat.
          
          Wir versammeln uns um den "Magischen Teppich" aus Papier auf 
          dem Fußboden. David fragt: "Was haben wir gelernt?" 
          Als ich unsere kollektiven Entdeckungen und Einsichten inmitten der 
          Gruppe auf diesem magischen Teppich sich sichtbar vor mir entfalten 
          sehe, weiß ich, dass an diesem Morgen etwas ganz Ungewöhnliches 
          geschehen ist. Ich war Zeuge von etwas, wofür ich keine Worte habe. 
          Ich weiß jedoch intuitiv, dass wir unbeabsichtigt in etwas sehr 
          Grundlegendes hineingetappt waren, etwas, das sich zwar sehr vertraut 
          anfühlte, das ich aber in dieser Form niemals erlebt hatte. Etwas 
          sehr Einfaches aber sehr Kraftvolles.
          
          Dies war nicht der Dialog von Bohm, den ich als Mitglied des Forschungsteams 
          des MIT Dialogue Projektes erforscht hatte. Es war auch nicht die Art 
          der Organisation von Gemeinschaften nach Alinsky, wie ich sie in der 
          Farm-Arbeiter Bewegung gelernt hatte, obwohl da etwas in unserem Wohnzimmer 
          war, das mich an meine früheren Jahre und die Meetings zuhause 
          mit Cesar Chavez erinnerte. Es war sicherlich auch keiner der interpersonellen 
          Gruppenprozesse, die ich in 'zig unterschiedlichen Arten während 
          meiner Zeit als Prozess-Beraterin und T-Gruppen-Trainer am NTL Insitute 
          for Applied Behavioral Sciences gelernt hatte. Es war etwas anderes. 
          Es war fast so, als hätte sich die Intelligenz eines größeren 
          Selbst - größer als die individuellen Selbste im Raum - durch 
          unsere Kaffetisch-Gespräche gezeigt. Dieser Kaffee-Prozess hatte 
          es uns irgendwie ermöglicht, uns unseres "kollektiven Wissens" 
          auf höheren Ebenen bewusst zu werden.
          
          © 2000 von Juanita Brown und Whole System Associates. Eine Version 
          dieser Geschichte erschien früher im Leverage Magazine, veröffentlicht 
          von Pegasus Communications.
           
         
        