veröffentlicht
in: managerSeminare
(Copyright), Januar/Februar 99, S. 108 - 115
Sollen
Mitarbeiter auf ein neues Unternehmensleitbild eingeschworen oder
für neue Herausforderungen begeistert werden, kann eine RTSC-Konferenz
die Lösung sein. Unter den verschiedenen Formen der Großgruppenkonferenzen
erlaubt sie der Geschäftsleitung die größten Einflußmöglichkeiten.
Allerdings steht und fällt ihr Erfolg mit der Überzeugungskraft
und Glaubwürdigkeit der Führungskräfte. Diese müssen
es mit dem Real Time Strategic Change ernst meinen.
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Für
den obersten Polizeibeamten von Österreich, Gruppenleiter Dr. Erik
Buxbaum, muß die Konferenz so etwas wie eine gelungene Achterbahnfahrt
gewesen sein. Permanent galt es neue Impulse aufzunehmen, Programmpunkte
gemeinsam mit den Moderatoren umzuwerfen, sich laut Konferenzregel als
Gleicher unter Gleichen zu verhalten, und trotzdem Entscheidungen zu
treffen, die sowohl den Prozeß unterstützen, als auch der
Behördenleiterkonferenz nicht vorgreifen.
Was als Schlußpunkt hinter einem aufwendigen Leitbildfindungsprozeß
geplant war, geriet zu einem Auftakt für etwas gänzlich Neues.
Für den föderalistisch aufgebauten 120jährigen Polizeiapparat
brachen im Oktober `98 neue Zeiten an.
Ursprünglich sollte - neben einem Strategiekonzept - ein Management-Leitbild
entwickelt und verabschiedet werden; doch bereits vor der Konferenz
wurde der Planungsgruppe klar, daß das Leitbild nicht nur für
die Führungsspitze, sondern für jeden Menschen in der Bundespolizei
gelten müßte. Ein Sprung ins kalte Wasser, denn wo bisher
ein hierarchischer Umgangston dominierte, sollten in Zukunft auch dienstniedrigere
Beamten mitsprechen.
Vision vom kundenorientierten Polizisten
Typisch RTSC-Konferenz, denn oft initiiert die Vorbereitungsphase schon
bedeutende Veränderungen. Durch die spezielle Dramaturgie der Konfernz
selbst ist es möglich, die Veränderung der Führungs-
und Zusammenarbeitskultur im Unternehmen, in allen Abteilungen und Hierarchieebenen
gleizeitig in Gangn zu setzen. Strategischer Wandel in Echtzeit heißt
das auf deutsch und bewirkt, daß sich die Mitarbeiter aus eigenem
inneren Antrieb heraus an der Umgestaltung des Unternehmens beteiligen.
Für die österreichische Bundespolizei war ein wichtiger Schritt
in diese Richtung die Konferenz der oberen Führungsebenen. Das
Ergebnis der dreitägigen Klausur: ein Leitbildentwurf für
Führung und Zusammenarbeit. Der erste Satz darin: "Wir arbeiten
für die Menschen in unserem Land". Wie revolutionär er
ist, erschließt sich aus dem Begleitsatz, in dem von kundenorientiertem
Verhalten die Rede ist. Nach hundert Jahren Obrigkeitsdenken eine zukunftsweisende
Entscheidung!
Die Einigung auf das Wörtchen "kundenorientiert" fiel
nicht leicht. Aber letztlich überwogen Erkenntnis und Mut. Der
Schritt ins nächste Jahrtausend soll mit marktwirtschaftlichem
Denken und Handeln versucht werden. "Wir hatten anfangs befürchtet",
so einer der Altgedienten, "einen bereits feststehenden Entwurf
legitimieren zu müssen. Aber wir sind hier wirklich gefordert worden.
Das hat sich ausgezahlt, denn in uns hat sich etwas bewegt. Wir werden
das jetzt weitertragen."
Das bedeutet viel, viel mehr, als wir ursprünglich geplant
hatten, lautete die spontane Reaktion des Gruppenleiters auf einen
wesentlichen Programmpunkt der Konferenz: die Rede des "Kollegen
Polizeidirektors Axel Dischler aus Stuttgart".
Und die hatte bewirkt, was sie bewirken sollte: So leidenschaftlich,
wie Dischler von der Entwicklung und Umsetzung des Leitbildes der Baden-Württembergischen
Polizei berichtete, so elektrisierend war die Wirkung. Am Ende seines
Vortrags war jedem im Plenum klar, daß zur Verankerung eines solchen
Leitbildes die üblichen Musik-von-vorne-Veranstaltungen nicht genügen
würden.
Was man nicht erlebt, versteht man nicht
"Die Mitarbeiter an der Basis müssen selbst Teil des Leitbildprozesses
sein. Sonst können sie es weder verstehen, noch leben", so
Dischler. Solche Sätze machten Mut für eine weitreichende
Entscheidung: Man wolle sich nicht zwischen einer Top-Down oder Bottom-Up-Variante
der Implementierung entscheiden, sondern wähle hier und heute einen
dritten Weg: Von innen nach außen werde man die Arbeit weitertragen.
Das Ergebnis: Damit der Geist von Wels" bis in die Stuben
der dringen kann, sollen - wie in Baden-Württemberg - auch in der
österreichischen Bundespolizei Moderatoren ausgebildet werden.
Nicht als Überbringer eines fertigen Papiers, sondern als Boten
eines Entwurfs, an dem auch die Basis mitgestalten soll. Der Prozeß
ist entscheidend, lautete die gemeinsame Erkenntnis. Wir hatten
anfangs befürchtet, zog einer der Altegedienten sei Fazit,
einen bereits feststehenden Entwurf legitimieren zu müssen.
Aber wir sind hier wirklich gefordert worden. Das hat sich ausgezahlt,
denn in uns hat sich etwas bewegt. Wir werden das jetzt weitertragen.
Die Macht heimlicher Spielregeln
Alles in allem also eine typische RTSC-Konferenz, auch wenn einige ebenso
typische Module nicht genutzt wurden. Zwar läuft sie im Grunde
immer nach dem gleichen Muster ab - Aufrütteln, mit den Zielen
identifizieren, Maßnahmen erarbeiten - doch die einzelnen Module
sind variabel einsetzbar.
So könnte z.B. nach dem Visionieren direkt die Umsetzungsphase,
die Planung der Maßnahmen beginnen. Oft ist es allerdings sinnvoller,
sich erst einmal um die heimlichen Spielregeln zu kümmern, die
in jeder Organisation eine Hauptrolle spielen. An ihnen, so RTSC-Moderator
Rudi Ballreich, sei schon so mancher Veränderungsprozess gescheitert.
Sie offenzulegen ist die Voraussetzung dafür, daß die Menschen
im Anschluß an die Konferenz nicht wieder in ihre alten Muster
zurückfallen. Nur: Wie soll man diese heikle Aufgabe meistern?
Blick zurück in die jüngste Vergangenheit von Bosch Salzgitter.
Die Ausgangslage: Zahlreiche 0Kunden waren mit Qualität und Kosten
immer weniger zufrieden, die Wertschöpfung in der Elektronik hatte
Verluste zu verkraften, man hätte demnächst wahrscheinlich
Leute entlassen müssen
die Szene ist bekannt, Bosch ist
da kein Einzelfall.
Der Technische Geschäftsleiter Dr. Eberhard Bauer mußte den
Kurs ändern und enschied sich für die RTSC-Konferenz, um einen
Konsens über die geschäftliche Neuorientierung zu erzielen.
Nachdem am zweiten Tag der Konferenz die Visioin 2005 formuliert
war, galt es für ihn und seine Mannschaft noch einen Blick auf
die ungeschriebenen Gesetze des Werkes zu werfen. Erst danach sollte
die Maßnahmenplanung stattfinden.
"Wir haben Rollenspiele gemacht, in denen die ungeschriebenen Gesetze,
die bei uns immer mitspielten, klar aufgedeckt wurden. Jeder 8ter-Tisch
hat das in einem Sketch dargestellt. Das hat nicht nur ungeheuer viel
Spaß gemacht, sondern es war auch erstaunlich, was in diesen kurzen
Vorführungen alles ans Licht kam. Jeder hat sich wiedergesehen
und viele haben gesagt, Ja, genau so ist es."
In den wesentlichen Punkten deckten sich die Erkenntnisse: Tauchte ein
Problem auf, war es immer der Nachbar bzw. die andere Abteilung hatte
Schuld. Oder, daß viele sich aus Angst vor Kritik immer gut darstellten,
aber nicht entsprechend handelten. Oder daß Zusagen nicht eingehalten
wurden, Business as usual
Die Karte für die schnelle Mahnung
"Wir haben alle geheimen Spielregeln aufgedeckt und neue formuliert,
so Bauer weiter. Die erste Regel heißt jetzt: Bei Problemen suche
ich nicht nach Schuldigen, sondern nach der Lösung. Die zweite:
Tun ist wichtiger als Darstellen. Und die dritte: Ich erfülle meine
Zusagen konsequent. Bereits drei Tage nach Ende der Konferenz hatte
die für dieses Thema zuständige Maßnahmengruppe eine
Karte vorgelegt: Klein wie eine Kreditkarte, bunt und mit den neuen
Regeln bedruckt, wurde sie hunderte Male vervielfältigt.
Jeder Mitarbeiter hat dieses Kärtchen seitdem immer bei sich. Kommt
es zu Regelverstößen, wird es gezückt. "Da kann
es schonmal vorkommen", schmunzelt Bauer, "daß ein Produktionsmitarbeiter
seinem Werksleiter die Karte zeigt. Und umgekehrt natürlich auch."
So oder ähnlich kommt es, daß im Anschluß an eine RTSC-Konferenz
die Wege zwischen unten und oben, oben und unten deutlich kürzer
werden. Aber wenn die unteren Schichten plötzlich unbefangen auf
die oberen zuzugehen, kann das in der mittleren Führungsebene oder
auch im Betriebsrat schonmal zu handfesten Ängsten führen.
Für Dr. Eberhard Bauer ist es deshalb wichtig, den Betriebsrat
von Anfang an mit einzubeziehen. Er zeigt sich zufrieden, das
Mitglieder des Betriebsrats jetzt in bestimmten Workshops als Moderatoren
mitmachen, ihren Beitrag intensivieren und spüren, daß ihre
Befürchtungen während der Konferenz nicht berechtigt waren.
Dramturgie der Emotionen
RTSC-Konferenzen haben eine interessante Dramaturgie. Anders als bei
der Zukunftskonferenz, gibt es bei RTSC stärkere inhaltliche Vorgaben.
Die Mitarbeiter müssen für die Ziele und Visionen gewonnen
werden, von denen zunächst einmal nur die Geschäftsleitung
überzeugt ist. Es liegt also in ihren Händen, daß der
Funke überspringt und der Wille zur Veränderung alle Hierarchien
und Mitarbeiter erfaßt.
Bewußt werden daher während der Konferenz viele emotionale
Akzente gesetzt. Sie wirken klärend und sind eine Möglichkeit,
die Mitarbeiter zu begeistern. Gleichzeitig werden aber auch Hoffnungen
geschürt, die eine große Eigendynamik entwickeln können.
Wenn die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen von der Geschäftsleitung
nur halbherzig betrieben wird, gehen Vertrauen und Energie rasch verloren.
Daher, so Ballreich geht es zunächst darum, die mittlere
Führungsschicht zu begeistern.
An dieser Stelle wird deutlich, daß RTSC-Konferenzen nicht nur
einer konsequenten Nach-, sondern auch einer mindestens ebenso sorgfältigen
Vorbereitung bedürfen. RTSC-Moderatoren sind daher häufig
in größere Organisationsentwicklungsprozesse eingebunden.
So gilt es, die Vorbereitungs- bzw. Steuerungsgruppe intensiv zu begleiten
und Überzeugungsarbeit bei den häufig verunsicherten Führungskräften
zu leisten. Coaching, Strategieveränderung und Supervision sind
gefragt.
So geschehen bei Elsag Bailey Hartmann & Braun. Folker
Frenzel, Geschäftsbereichsleiter Analysetechnik, erzählt,
daß ihn während der Vorbereitungszeit der Berater fragte,
welche Visionen wir eigentlich leben, was wir mit dem Unternehmen
vorhaben, welche Produktlinien wir in Zukunft sehen, welche Gebäude
und Techniken morgen eine Rolle spielen sollen? In der Führung,
so die Antwort, seien sie doch alle Ingenieure. Die wären in der
Regel auf das Tagesgeschäft fixiert und hätten sich mit solchen
Fragen noch nicht beschäftigt.
Bevor also die Konferenz zum Thema Aufbruch Analysetechnik
starten konnte, mußten die oberen Hierarchieebenen erst einmal
durch Visions-Workshops gehen. Und während der anschließenden
Planungsarbeit der Steuerungsgruppe, als es um einen Entwurf für
das Leitbild ging, waren wir zuerst einmal skeptisch. Die Techniker
fanden es recht blumig, eben nicht mathematisch genau. Die haben etwas
komisch geguckt und einige wollten eigentlich gar nicht zur RTSC erscheinen.
Als dann in der Konferenz die Ziele für den Bereich und das Unternehmen
klar definiert, Leitgedanken und Projektmaßnahmen verabschiedet
wurden, wurde aus der anfänglichen Skepsis ein sehr gutes
Gefühl.
Schwergewichtigen Themen
Auch wenn Emotionen Bestandteil einer RTSC-Konferenz sind, so bietet
sie doch deutlich mehr Steuerungsmöglichkeiten als Zukunfts- und
Open Space-Konferenzen und gilt deshalb für den Auftraggeber als
die sicherste Form dieser drei Konferenztypen. Manches Mal
kann sie sogar den größeren Innovationsschub in Richtung
Praxistransfer und Kulturwandel bewirken.
Das Ergebnis hängt indes wesentlich davon ab, was die Führungsmannschaft
vorher erarbeitet hat. Wenn z.B. Straffung auf der ganzen Linie angesagt
ist, sich das ganze Unternehmen viel mehr auf den Kunden ausrichten
und auch die Lieferanten einbinden will, erweist sich eine mangelnde
Vorbereitung als kontraproduktiv: Je besser die Vorbereitung, desto
eher kann man davon ausgehen, daß in der Konferenz unerwartete
und schwergewichtige Themen auftauchen. Die meisten Moderatoren wollen
deshalb die Aufrüttelungsrede der Geschäftsleitung, die gleich
zu Beginn der Konferenz gehalten wird, vorher lesen.
Es gilt zu vermeiden, daß die Rede kraftlos wirkt, nicht wirklich
aufrüttelt oder - schlimmer noch - im Plenum Verärgerung statt
Erschütterung entsteht. In so einem Fall ist ein konflikterfahrener
Moderator besonders wichtig. Einer, der das Schiff erst einmal stoppt,
die Krise anspricht und weiß, was zu tun ist, um zwischen Führung
und Mannschaft das Vertrauen wiederherzustellen.
Optimalerweise sollten solche Probleme schon im Vorfeld erkannt werden.
Wenn zum Beispiel die Führungsmannschaft von den Mitarbeitern offene
Kommunikation und Selbstverantwortung einklagen will, wird ein Berater
zunächst die Frage stellen: Und wie steht`s damit bei Ihnen?
Falls betretenes Schweigen die Antwort ist, kann es sinnvoll sein, für
die Führungsriege einen zweitägigen Feedback-Prozeß
zwischenzuschalten.
Es ist schon zu spät
Eines der heißesten Module einer RTSC-Konferenz ist
z. B. der Vortrag eines guten Kunden am ersten Tag der Konferenz. Sein
Job: Aufrütteln! Jedem soll unmißverständlich klar werden,
wie es in Sachen Kundenorientierung um das Unternehmen steht. Und das
kann auch mal deftiger ausfallen. Wie bei Bosch, wo ein Arbeiter dem
Vortragenden die Frage stellte: Was können wir denn tun?,
und jener antwortete: Es ist schon zu spät. Sie können
nichts mehr tun.
Das hat ungeheur gewirkt, so Geschäftsbereichsleiter
Bauer, meine Leute waren echt am Boden. Später hat er noch
mehr dazu gesagt, aber erst einmal mußte Leidensdruck aufgebaut
werden. Dabei ging es schlicht darum, bei allen ein anderes Bewußtsein
zu erzeugen. Letztendlich war ich wirklich froh, daß es so offen
angesprochen wurde.
Fingerspitzengefühl ist beim Einsatz der Module gefragt. Sollte
allerdings in einem Unternehmen der Leidensdruck durch Entlassungen
schon sehr groß sein, wird ein Berater diesen Part deutlich milder
ausfallen lassen. Die Menschen sind aufgerüttelt genug und es bedarf
vielmehr Instrumente, die alle Kraft in die aufbauende Arbeit leiten.
So können beispielsweise Verträge zwischen den Hierarchiebenen
geschlossen werden; oder man tauscht Briefe aus, die klären, was
von der jeweils anderen Seite gebraucht wird, um die neuen Vereinbarungen
erfüllen zu können. Doch bei aller Flexibilität der Struktur
gibt es ein Element, daß aus einer richtigen RTSC-Konferenz nicht
wegzudenken ist: die Nachtsitzung.
Tagen bis nach Mitternacht
Nach der Phase des Aufrüttelns und des Visionierens, nach dem Arbeiten
an Leitgedanken oder Strategien, geht eine kleine Truppe am ersten oder
zweiten Abend in den letzten Kraftakt des Tages. Moderatoren, Auftraggeber
und die Steuerungsgruppe ziehen sich mit zwei, drei Freiwilligen noch
einmal zurück. Und während alle anderen Teilnehmer den Abend
genießen, werden ihre Vorschläge gesichtet, sortiert, bewertet
und in die Vorlage der Geschäftsleitung eingearbeitet.
Auch wenn es bis drei Uhr morgens dauern sollte - wie bei der Deutschen
Telekom geschehen - Ende ist erst, wenn das neue Papier nichts mehr
zu wünschen übrig läßt. Über Nacht kopiert
liegt es dann als Morgengruß auf den Plätzen der Teilnehmer.
Wir haben mehrere Anläufe gebraucht, um der Sache auf die
Spur zu kommen. Zentrumsleiter Otto Zeppenfeld von der Deutschen
Telekom erzählt, wie alles mehrfach hin und her gedreht wurde,
bis endlich die neue Version auf den Tischen lag. Als wir nach
dieser Nacht müde aber froh wieder in der großen Runde auftauchten,
kam das sehr gut an. Mensch, die sind ja wirklich bereit, sich
auf unserere Forderungen einzulassen. Die meinen`s echt ernst.,
war der Tenor der Reaktionen.
Anschließend wurden die Vorschläge soweit konkretisiert,
daß die Geschäftsleitung noch am gleichen Tag entscheiden
konnte, was umgehend verabschiedet und budgetiert werden kann, und was
davon noch eine Weile warten muß. Wir haben das Papier gleich
am Ort noch mit Leben gefüllt und allein dadurch bereits einen
geschäftlichen Nutzen aus der Konferenz gezogen, der sich gelohnt
hat. Ich halte diese RTSC-Konferenz für ein hocheffizientes Werkzeug,
um relativ rasch Gemeinsamkeiten zu finden und zu festigen, so
Zeppenfeld.
Üblicherweise gehe man bei Workshops mit einem Stück Papier
rein und komme mit einem anderen raus. Hier sind wir mit etwas
Neuem und sofort Lebbarem rausgekommen. Das ist eine deutlich neue Ebene
der Effektivität, die da entstanden ist. Sowas kann man nicht in
Lehrgängen machen. Wenn ich meine Führungskräfte alle
zwei Tage lang in Lehrgängen gehabt und mein Leitbild vorgestellt
hätte, wäre nichts passiert, freut sich der Telekom-Manager
über die starke Identifikation der Mitarbeiter mit den gemeinsam
erarbeiteten Ergebnissen.
Für die beiden Zentrumsleiter des ehemaligen Fernsprech-Monopolisten
bedeutete das, daß sie sich schon während der Planungsgespräche
mit den Moderatoren deutlich bewegen mußten. Eine
RTSC-Konferenz ist nur das Highlight eines längeren
Prozesses und die Schritte, die die Geschäftsleitung im Vorfeld
macht, sind im Prinzip die Bedeutendsten.
Input für den Wandel
Während der Konferenz können Externe einen wichtigen Beitrag
leisten und den Prozeß beschleunigen. Ob Kunden, Mitbewerber oder
jemand aus dem wissenschaftlichen Lager - sie alle können helfen,
die Thematik von anderer Seite her zu beleuchten. Diese Gäste haben
nicht nur als Teilnehmer an den Externen-Tischen, sondern
- ebenso wie der Stuttgarter Polizeidirektor - als Vortragende eine
bedeutende Rolle. Und wie er wären die meisten Gäste gern
noch ein bißchen länger geblieben. Da sie als Agenten für
Veränderung kamen, hätten sie gern erlebt, wie Ihr Input genutzt
wird. Wird allerdings ein Wettbewerber zum Vortrag eingeladen, ist es
dem Auftraggeber eher recht, wenn man anschließend wieder unter
sich ist und ans Eingemachte gehen kann.
Fazit: Real Time Strategic Change-Konferenzen sind ein interessantes
Werkzeug für gleichzeitige Veränderung auf allen Ebenen und
in allen Bereichen. Trotzdem sollten Unternehmen, die keine Prozeßorientierung
und weder Personal-, noch Organisationsentwicklung kennen, zunächst
Abstand von solch einer Veranstaltung nehmen. Für ihre Führungsmannschaft
wäre es besser, zuerst einmal entsprechende Erfahrungen in prozeßorientierten
Strategie- oder Visiosnworkshops zu sammeln. Diese wird man nämlich
während einer RTSC-Konferenz besonders dringend brauchen.
Isis Herzog
Öl
ins Feuer gießen.
Bei der RTSC-Konferent von Siemens Verkehrstechnik ging es um das Thema
Projektmanagement. Probleme in diesem Bereich konnte sich das Unternehmen
nicht länger leisten, da 80 Prozent der Geschäfte als Projekte
abgewickelt werden. Wie aber wird ein Projekt optimal gestartet? Wie
findet man die richtigen Leute dafür? Antworten auf diese Fragen
lieferte die RTSC-Konferenz. Aber: Wurden die neuen Erkenntnisse auch
umgesetzt? Über die Auswirkungen und Nachbereitung der Konferenz
sprach managerSeminare mit Andreas Klenke, Leiter der Revision für
Siemens Verkehrstechnik.
Anfang `98 fand Ihre Konferenz statt. Können Sie schon eine Bilanz
ziehen?
Andreas Klenke: Ich bin gerade dabei zu prüfen, was an den
erarbeiteten Einzelmaßnahmen umgesetzt wurde. Es ist viel realisiert
worden und zwar in einem deutlich höheren Grad, als alles, was
ich sonst erlebt habe. 75% der verabredeten Maßnahmen wurden bereits
umgesetzt.
Worauf führen Sie den Erfolg zurück?
Andreas Klenke: Durch die enorme Transparenz, die entstanden
ist, gehen die Leute jetzt direkt zu ihren Häuptlingen und klagen
ein, was in der großen Runde verabredet wurde. Aber das Beste
daran ist: Der Effekt multipliziert sich. Auch Mitarbeiter, die nicht
dabei waren, machen das. Anfang April gab es zunächst den Tagungsband,
in dem bereits nerste Detailmaßnahmen dokumentiert waren. Das
Buch ist zwar gut zweineinhalb Zentimeter dick, aber ganz offensichtlich
wurde intensiv drin gelesen.
Gab es nioch weitere spürbare Auswirkungen?
Andreas Klenke: Ich habe an diversen Sitzungen teilgenommen und
festgesteltl: die Themen leben weiter und wir alle wollen hart am Ball
bleiben. Es hat sich einiges geändert und der Spirit aus der RTSC
ist nach wie vor vorhanden. Einen höchst wirkungsvollen Anstoß
gab es noch einmal nach etwa drei Monaten. In der RTSC hat jeder Teilnehmer
einen Brief an sich selbst geschrieben, in dem er sehr genau aufgelistet
hat, was er in den nächsten 90 Tagen realisieren will. Wir haben
diese Briefe in verschlossenen Umschlägen eingesammelt und nach
90 Tagen ungeöffnet an die Teilnehmer zurückgeschickt. Jeder
hat also seinen eigenen Brief bekommen.
Ich habe einige gefragt, wie hoch die Übereinstimmung mit dem Inhalt
ihrer Briefe sei. Welche sagten, ich bin stolz auf mich, ich habe
wirklich alles genau so umgesetzt. Andere waren eher etwas bedrückt,
weil sie eben nicht alles gemacht hatten. So konnten wir die Leute bei
ihrer Ehre packen und gleichzeitig wieder ein bißchen Öl
ins Feuer gießen.
Wie wollen Sie die Flamme auf Dauer am Brennen halten?
Andreas Klenke: Wir werden jetzt einen Projektmanagement-Award
ausschreiben. Wir machen das nicht nur, um die Themen weiter heiß
zu erhalten, sondern auch, um für diese Projekte immer wieder zu
werben. Sie sollen einen starken Sog entwickeln.