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ZUKUNFTSKONFERENZEN IN RESSORTS - WAS FUNKTIONIERT UND WAS NICHT

 

Marvin Weisbord bezeichnet Zukunftskonferenzen als whole systems planning strategy. Sie funktionieren am besten dort, wo das ganze, offene System in einem Raum zusammenkommt, wo eine heterogene Mischung von Menschen, die sonst nicht miteinander Pläne machen, ihre gemeinsame Zukunft in die Hand nimmt.

Kann man Zukunftskonferenzen dann auch auf Teile von ganzen Systemen anwenden, auf Ressorts also oder große Abteilungen in Unternehmen beispielsweise? Kann man sie dort anwenden, wo die Teilnehmerschaft eher homogen ist? Man kann, jedoch mit Einschränkungen. Und es ist dann manchmal sinnvoll, die Zukunftskonferenz deutlich zu modifizieren.

Meine Erkenntnisse zu diesem Thema beruhen auf mehreren Zukunftskonferenzen, die ich in den letzten Jahren durchgeführt habe. Vier davon hatten die Zukunft der Personalarbeit und des Personalressorts zum Thema. Eine behandelte die „Zukunft der Vermarktung unserer Produkte in Europa“ und brachte 40 Vertriebsmitarbeiter aus 15 europäischen Ländern sowie 20 „Innendienstler und Zentralisten“ eines Folienherstellers zusammen. Eine weitere hatte ebenfalls den Vertrieb zum Thema, es ging um die Integration der Vertriebe zweier Software-Unternehmen, die fusioniert hatten. Und eine letzte wurde mit den Mitarbeitern des Controlling-Bereichs einer großen Bank durchgeführt. Dadurch habe ich gelernt, daß in unterschiedlichen Ressorts auch unterschiedliche Schwierigkeiten auftreten können.

Die Zukunftskonferenzen mit Personalressorts haben bis auf eine unten beschriebene Ausnahme am besten funktioniert. Denn es ging in Ihnen auch meistens nicht nur um die Zukunft dieses einen Ressorts, sondern es ging um die Personalarbeit im ganzen Unternehmen. Und an der sind ja nun mal auch Führungskräfte beteiligt. Streng genommen war also doch das ganze System im Fokus. Als sinnvoll hat sich bei diesen Konferenzen erwiesen, viele Nicht-Personaler als interne Ko-Produzenten der Personalarbeit in die Konferenz zu holen. In einem Fall (bei der GTZ) waren neben 32 Mitarbeitern des P-Bereichs auch 32 „externe“ im Raum, nämlich jeweils 8 inländische und ausländische, Führungskräfte und Mitarbeiter. Hier hat das Standard-Modell der Zukunftskonferenz sehr gut funktioniert. Diese Konferenz hat deutlich länger als üblich gedauert, weil wir eine Sequenz eingebaut haben, in der sich die „externen“ internen Kunden über das Angebot des Personalbereichs informieren konnten, und eine weitere, in der die Personaler zu vorher ausgewählten Themen Feedback von den „externen“ internen Kunden einholten.

Dieser hohe zeitliche Aufwand auch vieler Nicht-Personaler ließ sich nur rechtfertigen, weil es auch um viel ging. Das Image des Personalressorts war angeschlagen. Es mußte in dem Bereich etwas geschehen. Und das tat es dann auch. Die Teilnehmer vereinbarten unter anderem, daß ein großer Teil der Personalarbeit ins Ausland dezentralisiert werden sollte. Das war das erste (und bisher einzige) mal, daß ich erlebte, daß die Teilnehmer einer Zukunftskonferenz die teilweise Auflösung ihrer eigenen Organisation beschlossen. Ich hätte das nicht vermutet. Man kann daran erkennen, wie in solchen Konferenzen möglich ist, daß aus einem „Ich-mind-set“ ein „Wir-mind-set“ wird.

Nicht gut funktioniert hat in dieser und in einer anderen Zukunftskonferenz mit einem Personalressort der zusätzliche Arbeitsschritt, wo die internen „Kunden“ den Pesonalern Feedback zu ausgewählten Themen gaben (nicht zu verwechseln mit „Stolz und Bedauern“). Meinen Auftraggebern war es immer wichtig, von den internen Kunden den Spiegel vorgehalten zu bekommen. Doch mir schien es sich bei den Ergebnissen gemessen an der Tragweite des Konferenzthemas immer um Kleinigkeiten zu handeln. Nach dem Motto: hier könnte etwas ein klein wenig besser sein, und da funktioniert etwas auch nicht immer. Wenn man dann am Ende der Zukunftskonferenz die vereinbarten Ziele und Maßnahmen anschaute, schienen die Ergebnisse der Feedback-Sequenz keine Rolle mehr zu spielen. Kleinigkeiten im Vergleich zu den zukunftsweisenden neuen Themen.

Wenn man interne „Kunden“ einlädt, sollte man darauf achten, daß genug hochrangige Vertreter dabei sind. Die Anforderungen an die Personalarbeit (oder an das Controlling oder...) sind je nach Hierar-chieebene doch sehr unterschiedlich. Ich habe mehr als einmal erlebt, daß hochrangige interne „Kunden“ in der Konferenz wichtige Aussagen gemacht haben, die den weiteren Gang der Dinge beeinflußten.

Hier liegt allerdings auch eine Gefahr. Dazu ein Beispiel: An einer Zukunftskonferenz zur Zukunft der Personalarbeit nahm neben dem Personalleiter auch ein weiteres Geschäftsleitungmitglied teil. Dieses hatte, wie sich zeigte, an einer zukunftsweisenden Personalarbeit, die auch Neues wagt, wenig Interesse. Als es am letzten Tag um die Konsenfindung ging, wurden einige Ziele durch Intervention dieses GL-Mitglieds entweder in ihrer Schärfe abgeschliffen oder ganz abgelehnt. Obwohl also der Auftraggeber im engeren Sinne, nämlich der Personalleiter, durchaus Veränderung wollte, wurde die Führungsspitze von den Mitarbeitern als bremsend erlebt. Das hat sich auf die Stimmung ausgewirkt - nach der Konsensfindung war sie deutlich gedämpft. Konsequenz: Sicherstellen, daß alle anwesenden hochrangigen Führungskräfte, auch wenn sie interne „Kunden“ sind, Veränderung wollen. Und wenn das nicht der Fall ist: Keinesfalls eine Zukunftskonferenz durchführen.

Die Aufgabe 4 „Entwurf der Zukunft“ mit den Sketchen hat in den Zukunftskonferenzen zum Thema Personal immer gut funktioniert. Dem war nicht ganz so in den anderen Fällen. In den beiden Konferenzen, in denen es um Vertrieb ging, sind die Teilnehmer beide Male aus dem Thema der Konferenz ausgebrochen. Sie entwarfen dann nicht mehr die Zukunft für Vertrieb/Marketing/Service, sondern gleich für die ganze Firma. Verständlich, sind doch Vertriebsleute Menschen, die sich als Vertreter der ganzen Firma nach außen sehen. Die Sketche waren dann zwar phantasievoll und lustig, doch (überwiegend) zu wenig aussagekräftig, was das Thema der Konferenz betraf. Und wir mußten mehr Zeit einbauen, um diesen Mangel zu heilen. Ganz anders in der Zukunftskonferenz, in der es um die Zukunft des Controllings in einer Bank ging. Hier trafen die Präsentationen zwar genau das Thema, doch sie gerieten sehr trocken.

Remedur würden zwei Änderungen schaffen. Erstens müßte man vor dem Entwurf der Zukunft mit der Teilnehmerschaft sammeln und vereinbaren, welche Themen im Zukunftsentwurf unbedingt angesprochen werden müssen, damit das gewünschte Thema bearbeitet ist. (Diese Themen könnten alternativ auch vorher mit der Planungsgruppe ausgearbeitet und in das Aufgabenblatt aufgenommen werden.) Und zweitens sollte man in manchen Fällen überhaupt darauf verzichten, die Teilnehmer einen phantasievollen Zukunftsentwurf präsentieren zu lassen. Denn je mehr die Thematik, um die es geht, fachlich wird (und das ist, wenn es um die Zukunft des Vertriebs geht, genauso der Fall wie bei der Zukunft des Controllings), desto weniger sind Sketche ein angemessenes Medium, um diesen Zukunftsentwurf darzustellen. Man könnte dann die Tische gleich z.B. sieben Sätze formulieren lassen, die die gewünschte Zukunft in Gegenwartsform beschreiben und danach in deren Verdichtung einsteigen. Diese Reduzieung des Zukunftskonferenz-Methodik mag für den Moderator schmerzhaft sein, sind doch die Sketche immer ein Höhepunkt in der Konferenz. Doch wenn sie nicht passen, dann sind sie eben kein Höhepunkt, und dann sollte man die ganze Konferenz etwas nüchterner anlegen. In der Search Conference von Merrelyn Emery, einem Vorläufer und wichtigen „Konkurrenten“ der Zukunftskonferenz, gibt es auch keine Sketche, sondern wird die Zukunft als geschriebenes Wort entworfen. Und das funktioniert durchaus gut.

Noch ein Wort zu den internen Kunden: Aus meiner Sicht ist dieser Begriff unglücklich, ich würde lieber von Ko-Produzenten sprechen, und formuliere das auch oft so während der Zukunfts-konferenz. Denn die internen Kunden sind nie der alleinige Maßstab für das Handeln des internen Lieferanten. Beide handeln im besten Fall im Interesse des gesamten Unternehmens. Interne Kunden stellen manchmal unerfüllbare Ansprüche oder wollen den „Lieferanten“ für eigene Zwecke einspannen. Daher halte ich es gar nicht für richtig, sie in der Zukunftskonferenz als „Kunden“ zu bezeichnen und ihnen damit den Status desjenigen zu geben, der einfach fordern darf.

Die Fokussierung auf die internen Kunden als alleiniger Maßstab läßt auch bei der Vorbereitung einer Zukunftskonferenz leicht vergessen, daß der „Lieferant“ auch wiederum Lieferanten und andere Partner hat, die in die Zukunftskonferenz eingebunden werden sollten. So geschah es mir, als ich die Zukunftskonferenz für die Controlling-Abteilung plante. Schnell war klar, daß es einen Tisch hochrangige interne Kunden brauche und einen Tisch der Ressort-Controller, die in ihre jeweiligen Ressorts integriert waren. Vergessen haben wir, daß IT als wichtiger Lieferant und die Finanzabtei-lung als wichtiger Partner ebenfalls dabei sein sollten.

Interne „Lieferanten“ haben im Spannungsfeld der (sich auch widersprechenden) Ansprüche von „Kunden“ und Geschäftsleitung auch die schwierige Aufgabe, ihre eigene Rolle genau zu definieren. Sind wir „Service-Einheit“ oder haben wir „hoheitliche Funktionen“ fragen sich Personalbereiche, liefern wir nur gut aufbereitete Zahlen und Beratung auf Wunsch oder werden wir, wenn uns Unstimmigkeiten auffallen, unseren Kunden gegenüber auch unbequem, fragen sich die Controller. In Zukunftskonferenzen werden solche Widersprüche nicht aufgelöst und die Rolle des Lieferanten nicht präzisiert (auch wenn der das gerne hätte, daß einmal vor großem Plenum festgelegt wird, was seine oberste Handlungsmaxime ist). In Zukunftskonferenzen bildet sich am Ende allenfalls eine Gruppe, die sich dieses Themas annehmen will. An dieser Stelle darf man also nicht zuviel erwarten.

Zum Schluß sei noch gesagt, daß es solche und solche Ressorts gibt. Das Vertriebsressort eines Automobilherstellers mit 20.000 Mitarbeitern steht zweifellos am oberen Ende der Skala, und es ist keine Frage, daß für ein solches System Zukunftskonferenzen sinnvoll sein können. Je kleiner jedoch ein Ressort wird, wenn es sich womöglich nur um eine große Abteilung innerhalb eines Ressorts handelt, je homogener die Teilnehmerschaft der Konferenz ist (weil es aus irgendwelchen Gründen nicht sinnvoll oder möglich ist „externe“ dabei zu haben) und je geringer die Zahl der Konferenz-teilnehmer ist, desto eher würde ich die Zukunftskonferenz ein Stück reduzieren, d.h. keine Sketche und keinen oder einen verkürzten Rückblick in die Vergangenheit. Eventuell sind dann auch andere Phasen der Zukunftskonferenz zu modifizieren. Eine etwas kürzere und etwas nüchternere Konferenz ist dann angemessener. Denn man sollte bei allem, was in Ressorts möglich ist, nicht vergessen: Zukunftskonferenzen sind eigentlich eine whole systems planning strategy.


Fazit:

Genug hochrangige interne Kunden einladen.

Keine „Unsere-Kunden-geben-uns-Feedback-Sequenzen“ einbauen.

Je fachlicher das Thema, für das die Zukunft entworfen werden soll, desto eher phantasievolle Präsentationen durch ein nüchterneres Vorgehen ersetzen.

Mit den Teilnehmern der Konferenz oder mit dem Planungsteam die Themenfelder festlegen, die im Zukunftsentwurf unbedingt berücksichtigt werden sollen.

Von „Ko-Produzenten“ und nicht von „internen Kunden“ sprechen.

Darauf achten, daß sich das ganze, offene System nicht nur aus „internen Kunden“, sondern auch aus „internen Lieferanten und Partnern“ zusammensetzt.

Nur dann eine Zukunftskonferenz durchführen, wenn alle anwesenden GL-Mitgleider, auch wenn sie nur als interne „Kunden“ dabei sind, Veränderung tatsächlich wollen.