Matthias
zur Bonsen und Hans Jecklin
Veröffentlicht
in: Agogik 4/1998, S. 25 - 42
Wissen
wir eigentlich, was Gemeinschaft ist? Haben wir jemals wirkliche
Gemeinschaft erlebt? Haben wir eine Vorstellung davon, wie Gemeinschaft
zustande kommt? Und haben wir eine Ahnung davon, welchen Grad an
Leistungs- und Lernfähigkeit eine Gruppe erreicht, die zur
Gemeinschaft gereift ist? Vor uns liegen unerforschte Gewässer.
Neue Abenteuer warten. |
Community
Building ist ein von Scott Peck entwickelter Prozess, von dem sich guten
Gewissens sagen lässt, dass er im Gebiet der Teamentwicklung für
eine ganz neue Generation steht: den Übergang von Organisationsentwicklung
zu Organisationstransformation. Im Laufe von zwei Tagen geht eine Gruppe,
deren Grösse bis 80 Teilnehmer reichen kann, zusammen den Weg zur
Gemeinschaft (community). Dies zu erleben, ist für fast
alle Beteiligten (und war wiederholt für die Autoren) sehr bewegend.
Es ist eine tiefe Erfahrung, die man lange nicht vergisst und aus der
man lange schöpfen kann. Ein Gefühl tiefer Freude und liebevollen
Mitgefühls bemächtigt sich der Teilnehmenden. Ein Geist des
Friedens, der Gelassenheit und des "Angekommenseins" erfüllt
den Raum. Die Gruppe ist voller Energie, voller Lebendigkeit, voller
spirit. Wenn sie eine Aufgabe hat und Entscheidungen treffen
muss, wird sie diese Arbeit jetzt mit hoher Eleganz, Schnelligkeit und
Qualität erledigen.
Bevor eine Gruppe jedoch diese lichten Höhen erreicht und zur Gemeinschaft
wird, muss sie - metaphorisch gesprochen - wie in Dantes Göttlicher
Komödie hinabsteigen in die Finsternis und Kälte der Unterwelt.
Auch hier also keine Heilung ohne Schmerz, keine Erlösung ohne
Opfer und keine Erneuerung, ohne vorher das Chaos von innen gesehen
zu haben. Dabei beginnt es am Anfang ganz harmlos mit Pseudogemeinschaft,
der ersten Phase in Scott Pecks Ablauf.
Die
Entstehung von Gemeinschaft in vier Phasen
1. Pseudogemeinschaft
2. Chaos
3. Leer werden
4. Gemeinschaft
Pseudogemeinschaft
Eine Gruppe ist zusammengekommen, um den Weg in die Gemeinschaft zu
erfahren. Sie sitzt in einem runden Kreis und erhält von dem Prozessbegleiterpaar
nur wenige Leitlinien. Eine Parabel wird erzählt, die wesentliche
Elemente des bevorstehenden Prozesses in sich trägt. Nach einem
kurzen Schweigen beginnt die Gruppe zu reden. In der nun einsetzenden
Phase der Pseudogemeinschaft tun die Beteiligten so, als seien sie bereits
eine Gemeinschaft. Sie tun so, als gäbe es keine Differenzen, und
vermeiden jegliche Konflikte. Sie sind höflich, zu höflich
sogar. Denn alle halten sich an die ungeschriebenen Regeln, die freundliche
und umgängliche Menschen auszeichnen: Sage nichts, das jemanden
anderen irritieren oder bei ihm/ihr schmerzliche Gefühle hervorrufen
könnte. Und wenn jemand anders etwas sagt, was Dich ärgert
oder verletzt oder irritiert, dann lass Dir nichts anmerken und
wechsle schnell das Thema. Mache Dich nicht verletzlich und zeige keine
Schwächen. Vermeide es, Emotionen zu zeigen. Vermeide heikle Themen
überhaupt. Vermeide Konflikt.
Nun, wenn viele Menschen an einem längeren, gemeinsamen Gespräch
teilnehmen, dann sagen irgendwann immer einige von ihnen Dinge, die
andere ärgern oder verletzen (oder auch nur langweilen). Also entgleitet
es Michael: "Wer sich scheiden lässt, hätte sich
lieber vorher überlegen sollen, wen er heiratet." Isabel,
die drei Plätze weiter sitzt und sich gerade durch ihre dritte
Scheidung arbeitet, murmelt halblaut "Stimmt wahrscheinlich",
obwohl sie sich in Wirklichkeit gerade über Michael schwarz ärgert.
Das ist Pseudogemeinschaft in Aktion. Und es ist die Art von Maskerade,
Unauthentizität und "Höflichkeit", die wir fast
überall erleben. Pseudogemeinschaft ist die Norm in unserer Gesellschaft.
Im Zustand der Pseudogemeinschaft sprechen Menschen in Generalisierungen:
"Sie haben immer die Mitarbeiter, die Sie verdienen", "Wir
sollten unserer Intuition vertrauen", "Wer den Gewinn nicht
an erste Stelle stellt, ist kein Unternehmer" oder auch "Abtreibung
ist eine Sünde" oder "Wer Vertrauen in sich hat, wird
immer erfolgreich sein". Und da in der Pseudogemeinschaft individuelle
Unterschiede geleugnet und Konflikte vermieden werden, bleiben alle
Platitüden "ungestraft".
Chaos
Community Building Workshops beginnen immer mit Pseudogemeinschaft.
Schliesslich werden die Differenzen dann an irgendeinem Punkt so
offenkundig und tiefgehend, dass sie nicht mehr kaschiert werden
können. Jetzt geht die Gruppe in den nächsten Aggregatzustand
über, ins Chaos. Vielleicht gibt auch der Moderator den
Anstoss dazu. Er teilt der Gruppe dann beispielsweise mit, dass
sie sich in Generalisierungen ergeht und diese der Entwicklung von Gemeinschaft
nicht förderlich sind. "Kommunizieren Sie mit Ich-Aussagen",
fordert er die Gruppe auf, woraufhin Peter eine frühere Aussage
korrigiert und sagt: "Für mich steht Gewinn immer an erster
Stelle." "Gut, dass Du es jetzt so formuliert hast",
entgegnet Johann, "denn ich habe festgestellt, dass ich am
weitesten dadurch gekommen bin, dass ich vor allem meinen Kunden
nützen wollte". "Wir brauchen immer eine Mission"
pflichtet Egon bei (wieder eine Generalisierung) und Irene kontert,
mit solch wenig anfassbarem Quatsch könne sie gar nichts anfangen.
Martha setzt noch einen drauf und meint, dass sie mit dem ganzen
Gespräch nichts anfangen könnte, da sie nicht sähe, wie
es die Gruppe näher zur Gemeinschaft bringe. Das Chaos aber, das
hat nun angefangen. Die Zeit der Höflichkeit ist vorbei und die
Dinge stossen sich hart im Raum.
Differenzen werden jetzt nicht mehr versteckt, man versucht vielmehr,
sie auszulöschen. Einer versucht den anderen zu bekehren. Das Heil
wird darin gesehen, dass alle gleich denken und dass alle
"normal" sind. Jeder will seine Sicht durchsetzen. Ein weiteres
typisches Bestreben im Zustand des Chaos, besteht darin, andere "heilen"
zu wollen. Irene sagt: "Ich habe ein Problem damit, mein Arbeitsleben
mit meinem Familienleben in Einklang zu bringen". Johann weiss
gleich die Lösung: "Wenn Du Dir jeden Sonntag abend Zeit nimmst,
Dir einen Plan für die ganze Woche zu machen, wirst Du viel besser
mit diesem Problem zurecht kommen." "Das mit der Zeitplanung
habe ich versucht", entgegnet Irene, "es hat mir aber nicht
geholfen". "Es kommt gar nicht auf die Zeit an, die wir insgesamt
mit der Familie verbringen", doziert dann Michael, "wichtig
ist, dass es sich um quality time handelt. Als ich das begriffen
hatte, haben sich meine Probleme mit der Familie in Luft aufgelöst".
"Ich bin aber immer so abgespannt nach der Arbeit und fühle
mich irgendwie leer - da ist mit quality nichts drin" antwortet
Irene mit hörbar gedrückter Stimme. "Warum machst Du
nicht einen Kurs für autogenes Training", rät Peter,
ohne dass zwei Sekunden vergangen wären und ganz ungeachtet
der Emotionalität der Aussage Irenes . Und so fort. Differenzen
dürfen nicht sein, schmerzliche Gefühle auch nicht. Sie werden
mit guten Ratschlägen oder tröstenden Worten gleich zugedeckt.
Chaos ist unangenehm und unbefriedigend, ein unproduktiver Kampf und
Krampf. Es ist ein lärmiges und unbewusstes Null-Summen-Spiel,
das nirgendwohin führt. Gruppen kommen zwar aus der Pseudogemeinschaft
leicht heraus, sobald ihnen dieser Zustand bewusst geworden ist.
Chaos jedoch ist oft selbst dann zählebig und dauert viele Stunden,
wenn der Gruppe völlig klar ist, dass sie sich mitten drin
befindet. Der Wunsch zu "heilen", zu "bekehren"
oder einfach eigene Sichtweisen von sich zu geben und durchzusetzen,
ist einfach zu gross. Was liegt da näher, als die ProzessbegleiterInnen
anzugreifen, ihnen miserable Anleitung vorzuwerfen und stattdessen die
Leitung selbst an sich zu reissen. "Das bringt uns jetzt überhaupt
nicht weiter, warum teilen wir uns also nicht in sechs kleine Gruppen
auf und finden erst mal darin zur Gemeinschaft" könnte ein
wohlgemeinter Vorschlag lauten. Und das ist auch gleich der Königsweg,
um Gemeinschaft nachhaltig zu verhindern: Organisation. An dieser
Stelle, wo eine Gruppe zur Gemeinschaft finden will, dient sie nur der
Schmerzvermeidung. Gemeinschaft entsteht, indem wir dafür Raum
geben und sie wachsen lassen, nicht indem wir sie organisieren.
Leer
werden
Dieses Raum Geben für Gemeinschaft beginnt, wenn erstmals Zeichen
der dritten Phase aufleuchten: das Leer-werden. Die Gruppe bewegt
sich in den oft langen und mühevollen Prozess hinein, sich
leer zu machen , sich zu befreien von allen Barrieren zu authentischer
Kommunikation. Kaum eine Gruppe fliegt auf diesen Tip des Moderators.
Denn die Beteiligten ahnen schon, worum es geht: zu sterben, um wieder
geboren zu werden. Und sie ahnen, dass sie viel Liebgewonnenes
aufgeben müssen und dass das schmerzlich ist. Dann doch lieber
im Chaos bleiben oder in die Pseudogemeinschaft zurückfallen. Es
ist auch allzuviel, von dem man sich lösen muss. Zum Beispiel
von Vorurteilen, die man gegenüber anderen Teilnehmern der Gruppe
schon lange pflegte oder im Workshop aufgebaut hat. "Wie die schon
wieder ihre Kaffeetasse hält", denkt man abschätzig in
jeder Pause über die werte Kollegin. Verständlich, dass
man solche Gedanken und Gefühle erst loslassen muss, bevor
Gemeinschaft beginnen kann. Gleichermassen leer machen muss
sich die Gruppe von dem Wunsch zu "heilen" oder zu "bekehren".
Es dämmert ihr im Prozess des Leer-werdens, dass "heilen"
und "bekehren" nur dazu dient, schmerzhafte Gefühle zu
vermeiden und Differenzen auszulöschen. Es wird ihr auch klar,
dass sie Stille nicht ertragen kann und nach jeder "schwierigen"
Aussage zum "Lärm", der schnellen Antwort, Zuflucht nimmt.
Leer werden also auch zur Stille - zu einer oft lange anhaltenden Stille.
Loslassen müssen die Beteiligten dann den Wunsch, ihre individuellen
Ideologien, Weltsichten und Lieblings-Lösungen anderen überzustülpen.
Und schliesslich müssen sie sich aller Erwartungen entledigen,
wie der angestrebte Zustand der Gemeinschaft denn auszusehen hat. Jeder,
nahezu ohne Ausnahme, der einen Prozess zum Aufbau von Gemeinschaft
beginnt, hat eine fixe Idee davon, was Gemeinschaft ist. Doch wahre
Gemeinschaft wird sich nicht einstellen, solange man an seinem eigenen
Begriff davon festhält.
Im Verlauf des Leer-werdens und des damit einhergehenden besseren Zuhörens
finden die ersten den Mut, ein sehr persönliches Gefühl anzusprechen
- ein Gefühl, dessen sie sich entleeren müssen, um in der
Gruppe völlig präsent und für die Gemeinschaft offen
sein zu können. Typischerweise treten jetzt verdrängte Enttäuschungen
und Verletzungen zutage. Da erzählt Elisabeth vielleicht etwas,
was sie als Kind erlebt hat, und Martin spricht etwas an, das mit der
Gruppe zu tun hat: "Die Art und Weise, wie mir vor drei Jahren
das Projekt zum Aufbau des neuen Sowieso-Vertriebswegs weggenommen wurde,
macht mich auch heute noch sehr wütend." Gemeinschaft braucht
Authentizität und damit den Mut, schmerzliche Gefühle zu äussern
und sich verletzlich zu machen. Wenn die ersten Mitglieder der Gruppe
diesen Mut finden, reagieren die anderen oft ausweichend, wollen wieder
"heilen" und fallen möglicherweise zurück ins Chaos.
Schliesslich stirbt die Gruppe dann doch den "grossen
Tod" und wird neu geboren in den Zustand der Gemeinschaft. Ein
dramatischer Wandel setzt nun ein.
Gemeinschaft
Dieser Wandel kommt immer autonom; er ist weder planbar noch genau vorhersehbar.
Manchmal tritt er bereits nach wenigen Stunden ein, manchmal am Ende
des zweiten Tages. Plötzlich scheint sich eine Kraft Bahn zu brechen,
die vorher nicht vorhanden war. Was nun passiert, hat Scott Peck unübertrefflich
beschrieben: "In diesem letzten Stadium breitet sich eine sanfte
Stille aus. Es ist eine Art Frieden. Der Raum badet in Frieden. Dann
beginnt ein Mitglied, ganz ruhig, über sich zu sprechen. Sie ist
sehr verletzlich. Sie spricht aus dem tiefsten Teil ihrerselbst. Die
Gruppe ist gefesselt von jedem Wort. Niemand hatte realisiert, dass
sie zu solcher Eloquenz fähig ist. Nachdem sie geendet hat, beginnt
eine Stille. Sie hält lange an, obwohl es nicht so scheint. Sie
wirkt nicht unbehaglich. Langsam, aus der Stille heraus, beginnt ein
weiteres Mitglied zu sprechen. Er spricht ebenfalls sehr tief, sehr
persönlich über sich selbst. Er versucht nicht, seine Vorrednerin
zu "heilen" oder zu "bekehren". Er versucht nicht
einmal, ihr zu antworten. Nicht "sie", sondern "er"
ist das Thema. Doch die anderen Mitglieder der Gruppe haben nicht das
Gefühl, dass er sie ignorierte. Was sie vielmehr empfinden
ist, dass er sich neben sie auf den Altar gelegt hat.
Die Stille kehrt zurück. Ein drittes Mitglied spricht. Vielleicht
antwortet er seinem Vorredner, doch dabei versucht er nicht zu "heilen"
oder zu "bekehren". Es mag eine humorvolle Bemerkung sein,
doch sie geht auf niemandes Kosten. Es mag ein kurzes Gedicht sein,
das auf fast magische Weise passt. Es kann irgendetwas Sanftes
und Liebenswürdiges sein, in jedem Fall wird es ein Geschenk sein.
Dann spricht das nächste Mitglied. Und während es so weitergeht,
wird viel Traurigkeit und Kummer zum Ausdruck gebracht; zugleich wird
aber auch viel gelacht und viel Freude empfunden." (1)
Was
ist Gemeinschaft ?
Eine Gemeinschaft, wie sie durch Community Building entsteht,
unterscheidet sich deutlich von dem, was wir gemeinhin als solche bezeichnen.
In Gemeinschaft, wie sie hier gemeint ist, gehen Menschen authentisch
und ehrlich miteinander um. Denn eine Gemeinschaft wird als sicherer
Ort empfunden, wo man sich sich völlig akzeptiert fühlt -
ganz im Sinne von "Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein"
- und wo man den Mut hat, verletzlich zu sein. Daher verstecken die
Menschen sich nicht hinter einer Fassade und täuschen nicht den
perfekten Menschen vor. Unterschiede dürfen sein in Gemeinschaften.
Das volle Spektrum menschlicher Emotionen, Typen und Eigenschaften wird
nicht nur toleriert, sondern wertgeschätzt. In Gemeinschaft gehen
die Menschen mit Liebe und Achtung miteinander um und hören sich
sehr offen zu. Und paradoxerweise findet in einer Gruppe, die das "Heilen"
und "Bekehren" schliesslich aufgegeben und zur Gemeinschaft
gefunden hat, plötzlich viel Heilung und Bekehrung statt. Alte
Feindseligkeiten werden gelöst, Verletzungen verziehen, Widerstände
aufgegeben und Wunden geheilt.
Eine Gemeinschaft ist lebendig, in ihren besten Momenten ist ihr Energieniveau
fast übernatürlich. Als Mitglied solcher Gemeinschaften haben
wir uns ergriffen gefühlt, verändert in unserem Denken und
Fühlen, eingebunden in ein grösseres Ganzes, erfüllt
von tiefer Zuneigung zu den anderen Mitgliedern der Gruppe. Diese erlebten
es fast alle genauso. In Gemeinschaft zu sein, war für uns und
die anderen ein ganz besonderes Erlebnis. Was vorher Chaos und Mühsal
war, ist nun wie ein Fest. Alle sind überdurchschnittlich präsent.
Man hat das Gefühl, die Gruppe sei zu einem Organismus (statt
nur einer Anhäufung individueller Organismen) geworden, so sehr
passt alles harmonisch zusammen, so gut ist alles aufeinander ab-
und sind alle aufeinander eingestimmt. Wenn es ein kollektives Bewusstsein
gibt, dann kommt es im Zustand der Gemeinschaft zur Wirkung.
Daneben haben Gemeinschaften eine Reihe weiterer, viel nüchterner
klingender, doch ebenso wichtiger Eigenschaften. Eigenschaften, die
auch schon Pioniere wie Wilfred Bion (2), Mitbegründer des Tavistock
Instituts, der working group (seinem Konzept der reifen Arbeitsgruppe)
oder Douglas McGregor (3) dem idealen Team zugeschrieben haben und die
später von allen Nachfolgern wiederholt wurden: Entwickelte Gemeinschaften
(die es gelernt haben, diesen Zustand in ihrem Alltag zu erhalten) sind
nicht konfliktfrei, vielmehr wissen sie Konflikte mit Grazie auszutragen
und Meinungsverschiedenheiten integer zu überbrücken. Sie
sind realistisch, weil sie viele Sichtweisen zulassen. Sie erarbeiten
in wichtigen gemeinsamen Fragen einen Konsens, der von allen getragen
wird. Sie können zwar einen formellen Leiter haben, zugleich
aber wechselt die Leitung von Mitglied zu Mitglied, je nach Eignung
für das Thema, an dem man arbeitet. Gemeinschaften sind reflexiv;
sie überprüfen regelmässig, ob sie noch "in
Gemeinschaft" sind. Und nicht zuletzt sind Gemeinschaften phänomenal
leistungsfähig.
Dieser letzte Punkt macht sie für Organisationen und Firmen so
interessant. Und auch dort ist Gemeinschaft möglich - das haben
mittlerweile Erfahrungen in zahlreichen Untenehmen und Institutionen
in den USA gezeigt. Hierarchien, Arbeitsplatzbeschreibungen und ähnliche
Strukturen, wie sie in Organisationen gebraucht werden, sind kein Hindernis
für eine echte Gemeinschaft. Natürlich kann die Gemeinschaft
im Alltag nicht die Intensität wie in den besten Momenten eines
Workshops zum Gemeinschaftsaufbau haben. Natürlich ist es nicht
praktikabel, jede operative Entscheidung im Konsens zutreffen. Und in
einer Gemeinschaft ist nicht alles einfacher. Auch hier muss manchmal
jemand gefeuert werden. Ausserdem werden Konflikte ausgetragen,
und das kann zuweilen frustrierend und ermüdend sein. Doch dort,
wo Gemeinschaft besteht, arbeiten alle daran, den Konsens zu erreichen
und eine weise Entscheidung zu treffen.
Erfolgsvoraussetzungen
für eine fortdauernde Gemeinschaft
Wenn ein Unternehmen zur Gemeinschaft werden will, dann muss das
von oben gewollt werden - von ganz oben. Die Schlüsselpersonen
an der Spitze der Organisation müssen Gemeinschaft wollen. Der
Wunsch des mittleren Managements, eine Gemeinschaft zu werden, mag noch
so stark sein - es wird nicht funktionieren, solange die Menschen, die
die Kultur der Organisation am stärksten prägen, nicht mit
im Boot sind. Andererseits haben Scott Peck und andere in der Foundation
for Community Encouragement zusammengeschlossene Berater die Erfahrung
gemacht, dass man nicht jeden einzelnen Teilnehmer eines Workshops
zum Gemeinschaftsaufbau vorher fragen muss, ob er dazu bereit ist.
Es wäre auch unpraktisch, den möglichen 30, 50 oder 80 Teilnehmern
(es können selbstverständlich auch weniger sein) das Konzept
vorher im Detail zu erläutern. Die Entwicklung einer Gemeinschaft
hat auch dann funktioniert, wenn die Teilnehmer dazu einfach nur eingeladen
wurden. Die Führungsspitze kann also Gemeinschaft haben - wenn
sie das will.
Während die bisherigen Methoden der Teamentwicklung sich auch in
einzelnen Abteilungen oder anderen Teilsystemen der ganzen Organisation
anwenden lassen, so ist dies, wenn es um die Entwicklung von Gemeinschaft
geht, nicht ohne weiteres möglich. Wenn die Kultur des ganzen Unternehmens
repressiv ist, wird es eine einzelne Abteilung schwer haben, ihre Gemeinschaft
zu erhalten. Der Gegensatz zwischen dem, was die Beteiligten als möglich
erlebt haben, und dem, was sie sonst in der Organisation vorfinden,
dürfte in ihnen enorme Spannungen hervorrufen. Das heisst
jedoch nicht, dass die Entwicklung von Gemeinschaft in Teilsystemen
gar nicht möglich ist. Wenn diese eine relativ hohe Autonomie haben
(z.B. wie ein Hotel in einer Hotelkette) und wenn die Kultur der ganzen
Organisation nicht zu konträr ist, dann können auch Teilsysteme
erfolgreich "Gemeinschaftsinseln" bilden.
Bleibt eine Gruppe, die einmal Gemeinschaft erreicht hat, für immer
in diesem Zustand? Mitnichten. Gemeinschaft in der intensiven Form,
wie sie oben beschrieben wurde, bleibt nie lange erhalten. Die Gruppe
kann zurückfallen ins Chaos und sogar in die Pseudogemeinschaft.
Der Leser ahnt schon, was jetzt kommt. Gemeinschaftserhaltung ist eine
ständige Aufgabe. Die Gruppe muss sich immer wieder dafür
Zeit nehmen. Sie muss sich fragen: "Wie ist unsere Stimmung?
Haben wir noch unseren spirit? Sind wir noch authentisch? Fühlen
wir uns noch rundum wohl miteinander?" Wenn nein, dann geht es
von Neuem los: Sich leer machen, sich entledigen von allen Barrieren
zu authentischer Kommunikation. Eine Gruppe, die zu Gemeinschaft gefunden
hat und diese erhalten will, wird sich sinnvollerweise noch einige Zeit
sporadisch von einem Berater begleiten lassen - bis das "zur Gemeinschaft
werden" und "leer werden" für sie zur Lebensweise
geworden ist. Eine Gruppe, die das eine Zeitlang geprobt hat, wird es
sich nicht mehr nehmen lassen, Zeit in die Erhaltung der Gemeinschaft
zu investieren. Denn im Vergleich zu der sterilen, langweiligen Pseudogemeinschaft,
die wir allerorten erleben, macht es so viel mehr Freude und ist es
so viel effektiver, in einer echten Gemeinschaft zu arbeiten, dass
das grosse Mühe rechtfertigt.
Die erste Nacharbeit beginnt bereits im Community Building Workshop.
Der Zustand der Gemeinschaft wird zwar innerhalb von zwei Tagen und
manchmal in kürzerer Zeit erreicht, dennoch wird an solche Workshops,
wenn sie innerhalb einer Organisation stattfinden, ein dritter Tag angehängt.
Dieser dient dazu, das Erlebte zu festigen und die Gruppe darüber
reflektieren zu lassen, was sie tun muss, um auf Dauer erfolgreich
in Gemeinschaft zu leben. Hierfür wurden verschiedene Übungen
entwickelt.
Der formelle Leiter einer Organisation, die zur Gemeinschaft gereift
ist, wird immer wieder abwägen müssen, was durch Konsensfindung
im Team und was "von oben" entschieden werden soll. Denn eine
noch so tiefe Gemeinschaft kann nicht bedeuten, für alles und jedes
den Konsens zu suchen. Direktiven sind auch in Gemeinschaften angemessen.
Entscheidend ist, dass der formelle Leiter die Werte und Prinzipien
der Gemeinschaft voll unterstützt. Wenn er das tut, wird auch akzeptiert,
dass er in bestimmten Fällen Anweisungen gibt.
Was machen die ProzessbegleiterInnen?
Die ProzessbegleiterInnen (idealerweise ein Paar, bestehend aus
Mann und Frau), die eine Gruppe zur Findung von Gemeinschaft anleiten,
tun nur ganz wenig. Es gibt in Community Building Workshops kein
"Programm", das abgespult wird, kein Set vorgeschriebener
Aktivitäten. Die Gruppe sitzt im Kreis, spricht miteinander und
erhält dafür vorab nur minimale Instruktionen, die folgendermassen
enden können: "...schliesslich sprechen Sie nur, wenn
Sie zum Sprechen bewegt sind. Und schweigen Sie, wenn Sie nicht zum
Sprechen bewegt sind". Dann legt die Gruppe los. Sie soll selbst
zur Gemeinschaft finden und nicht dorthin "getragen" werden.
Das Prozessbegleiterpaar macht der Gruppe einfach nur gelegentlich
ihr Verhalten bewusst. Und auch dieses Feedback geben sie nur dann,
wenn die Gruppe nicht von selbst darauf kommt. Also warten Sie oft ab,
schauen, ob die Teilnehmer selber merken, was nicht stimmt, und erst,
wenn es unumgänglich ist, intervenieren sie. Die Gruppe wird häufig
das Gefühl haben, dass ihre Begleiter viel zu passiv sind
und zu wenig Anleitung geben. Sie werden sich möglicherweise über
die BegleiterInnen ärgern. Und sie werden sich dieses Ärgers
entledigen müssen, um leer zu werden für die Gemeinschaft.
Die Aufgabe der ProzessbegleiterInnen besteht darin, der Gruppe
zu spiegeln, wo sie steht, nicht aber das Verhalten von einzelnen zu
kommentieren. Er oder sie mag beispielsweise sagen: "Diese Gruppe
tut so, als hätten alle dieselben Wertvorstellungen in Bezug auf...."
oder " Die Gruppe scheint sich in zwei Fraktionen aufgeteilt zu
haben" oder "Das Geschehen wirkt wie ein Kampf, in dem es
darum geht, andere zu bekehren" oder "Mir fällt auf,
dass immer rasch das Thema gewechselt wird, wenn jemand etwas Schmerzliches
sagt" oder "Ich frage mich, ob wir uns nicht zuerst des Wunsches
entledigen müssen, andere zu heilen, bevor wir zu einer Gemeinschaft
werden können". Im Laufe des Workshops lernt die Gruppe oft,
sich selbst zu beobachten. Dann können die Moderatoren sich weiter
zurücknehmen und die Leitung mehr der Gruppe überlassen.
Gelegentlich werden die ProzessbegleiterInnen der Gruppe eine Zeit
der Stille vorschlagen. In der Stille soll reflektiert werden, wovon
man sich trennen muss, damit Gemeinschaft entstehen kann. Und sie
soll Gelegenheit geben, sich dann tatsächlich leer zu machen. Oft
entsteht die Gemeinschaft schliesslich, wenn die Gruppe wieder
aus einer solchen Periode der Stille herauskommt.
Die herausfordernste Aufgabe für die ProzessbegleiterInnen
besteht wahrscheinlich darin, die Stille in sich selbst zu erzeugen,
sich während des Prozesses selbst laufend zu entleeren. Sich zu
trennen von dem Wunsch zu reden, zu lehren, gut auszusehen und Anleitung
zu geben. Sich sogar zu lösen von dem Wunsch, erfolgreich zu sein.
Erfahrene Begleiter von Community Building Workshops berichten,
dass sich die Gemeinschaft in vielen Fällen erst eingestellt
hat, nachdem sie selbst bereit waren, einen Misserfolg zuzulassen.
Vorahnungen
In welchem Verhältnis steht Community Building zu anderen Ansätzen
und Methoden? Schon seit Jahrzehnten wird schliesslich die Dynamik
von Gruppen untersucht. In den fünfziger und sechziger Jahren sind
die T-Groups des amerikanischen NTL (National Training Laboratories)
und die Tavistock Groups des gleichnamigen Instituts in England auf
viel Interesse gestossen. Es waren Vorahnungen dessen, was als
Community Building viel später folgen sollte. Denn das Element
der authentischen Kommunikation war teilweise auch bei ihnen vorhanden.
Diese Methoden zielten allerdings nicht darauf ab, Gemeinschaft wie
hier beschrieben, entstehen zu lassen. Weder der konzeptionelle Rahmen
noch das methodische Rüstzeug waren damals vorhanden. Manchmal
entstand allerdings Gemeinschaft auch in diesen Gruppen. Nicht selten
bleib es jedoch bei Chaos und einer insgesamt unerfreulichen Erfahrung
für die Teilnehmer. Kein Wunder, dass das Interesse abflaute.
In die Realität von Unternehmen haben T- und Tavistock Groups nie
in nennenswertem Umfang gefunden.
Mitte der Sechziger Jahre fasste Bruce Tuckman (4 ) seine Forschungen
und die Erkenntnisse anderer in ein Phasenmodell zusammen: Forming,
Storming, Norming und Performing sah er als die Stufen, die
eine Gruppe auf der Leiter zu ihrer Leistungsfähigkeit erklettert.
Sein Modell hat eine ganze Generation von Teamentwicklern beeinflusst.
Forming und Storming haben unverkennbare Ähnlichkeiten
mit Pseudogemeinschaft und Chaos. In der Phase des Norming wird
(neben anderem) Feedback gegeben und werden Spielregeln vereinbart.
Doch auch das ist nicht der Prozess des Leer-werdens, den es braucht,
um Gemeinschaft wachsen zu lassen.
Als sich zu Beginn der Achtziger Jahre in den USA unter dem Eindruck
des Paradigmenwechsels zu einem systemisch-evolutionären und ganzheitlich-spirituellen
Weltbild die Organization Transformation-Bewegung zu formieren
begann, entstanden auch neue Visionen davon, was ein Team und eine Organisation
im besten Fall sein könnte. Die Methoden dazu fehlten zwar noch,
doch was Peter Vaill (5) als High-Performing System beschrieb
und andere (6) als Alignment und Attunement, enthält
auch Gemeinschaft, wie sie in diesem Artikel verstanden wird.
Gegen Ende der Achtziger Jahre ist dann auch auf der methodischen Seite
etwas geschehen, das interessante Parallelen zu Community Building
aufweist. David Bohm, weltbekannter Quantenphysiker und Vordenker des
holographischen Universums, entwickelte den Dialog. (7) Dialog
strebt nicht den Aufbau von Gemeinschaft in der tiefen Form, so wie
sie hier verstanden wird, an. Vielmehr geht es hier primär darum,
einer Gruppe von Menschen, die unterschiedlichen Meinungen, Annahmen
und vielleicht Weltsichten verhaftet sind, zu helfen, voneinander zu
lernen und die Kreativität und Intelligenz der ganzen Gruppe zu
steigern. Typischerweise würde eine solche Gruppe miteinander in
Diskussion und nicht in Dialog treten. Das heisst,
die Meinungen würden aufeinanderprallen, die Gemüter sich
vielleicht sogar erhitzen, doch eine gegenseitige Bereicherung fände
nicht statt. Der Schlüssel zu Dialog heisst "die
eigenen Annahmen und Meinungen suspendieren", also zeitweilig ausser
Kraft setzen. Dann verteidigt man diese nicht mehr und hört andere
Meinungen, ohne sie gleich zu beurteilen. Die Ähnlichkeiten zum
Stadium des Leer-werdens beim Community Building sind unübersehbar.
Nur dass ein noch umfassenderes Leer-werden verlangt wird, wenn
Gemeinschaft entstehen soll. Im Prozess des Community Building
sprechen die Menschen über sich selbst, beim Dialog kann
es auch um eine Sache gehen. Nun, über "Sachen" - und
möglicherweise sehr konfliktäre - muss auch jede Gemeinschaft
sprechen, die eine gemeinsame Aufgabe hat. Und dann ist Dialog mit seiner
Intensität des Zuhörens und des Ernstnehmens anderer Meinungen
zweifelsohne der richtige Gesprächsmodus.
Ausblick
Die Bedeutung wahrer Gemeinschaft, nicht nur für Organisationen,
sondern für die Menschheit kann wahrscheinlich gar nicht überschätzt
werden. Für Alfred Adler, einen der Gründerväter der
Psychologie, war das "Gemeinschaftsgefühl" eines der
zentralsten Motive des Menschen. Wir sehnen uns alle, meist mehr unbewusst
als bewusst, nach Gemeinschaft. Antoine de Saint-Exupéry schrieb,
dass wir sogar Kriege beginnen, um Gemeinschaft zu erleben. "Wir
dürsteten danach, in einer verödeten Welt Kameraden wiederzufinden:
die Freude am Brot, das man gemeinsam mit Kameraden bricht, liess uns
die Werte des Krieges bejahen." "Doch", schrieb er auch,
"wir brauchen nicht den Krieg, um die Wärme nachbarlicher
Schultern in einem Lauf zu finden, der dem gleichen Ziel zustrebt."
(8) Letztlich zerstört ein Krieg mehr Gemeinschaft als er schafft.
Community Building ist ein anderer Weg, der zudem ungemein einfach
(nicht leicht) ist. Wir brauchen dazu keine extremen Notlagen.
Es wird ein langer Weg sein, Gemeinschaft in unsere Gesellschaft hineinzutragen
und dahinzugelangen, dass viele Menschen mit dem Wort überhaupt
eine Erfahrung verbinden können. (Katastrophen wie die an der Oder
mögen den Vorgang allerdings in Teilen beschleunigen.) Es wird
ein noch viel längerer Weg sein, Gemeinschaft zur Grundlage einer
neuen Kultur unseres Planeten zu machen. Vermutlich werden auch bei
uns Firmen zu den ersten gehören, die sich auf diesen Weg begeben.
Denn sie haben zwar einen Lernprozess vor sich, aber auch ungemein viel
zu gewinnen.
Anmerkungen
1) Peck, M. Scott, The Different Drum. Community Making and Peace:
A Spiritual Journey Toward Self-Acceptance, True Belonging and New Hope
for the World, New York (Simon and Schuster/Touchstone), 1987, hier
zitiert aus der Ausgabe von Arrow Books, 1990, S. 103
2) Bion, Wilfred, Experience in Groups, London (Tavistock), 1961
3) McGregor, Douglas, The Human Side of Enterprise, New York NY (McGraw-Hill),
1960
4) Tuckman, Bruce. W., Developmental Sequence in Small Groups, in: Psychological
Bulletin, 6/1965, S. 384-399
5) Vaill, Peter B., Toward a Behavioral Description of High-Performing
Systems, in: McCall, Morgan W. und Lombardo, Michael M. (Hrsg.), Leadership:
Where Else Can We Go?, Durham NC (Duke University Press), 1978, S. 103-127
6) Siehe Artikel von Peter Senge, Charles Kiefer, Harrison Owen, Frank
Burns und anderen in Adams, John D. (Hrsg.), Transforming Work, Alexandria
VA (Miles River Press), 1984
7) Bohm, David, On Dialogue, unpublizierte Seminarunterlage, Ojai CA
(David Bohm Seminars), 1990
zur Bonsen, Matthias, Kapitel 7 "Dialog oder Zen in der Kunst des
Management-Meetings" in Führen mit Visionen, Wiesbaden (Gabler
Verlag), 1994
Mandl, Christoph, Dialogos oder eine Collage über Team-Lernen,
in: Organisationsentwicklung 15(1996)4, S. 32-45
8) de Saint-Exupéry, Antoine, Dem Leben einen Sinn geben, München
(dtv), 1962, S. 126f
9) Russel, William F., Second Wind. Memoirs of an Opinionated Man, New
York NY (Random House), 1979
Literatur
Borei, Jeanne, Chaos to Community: One Company's Journey of Transformation,
in: Barrentine, Pat et al. (Hrsg.), When the Canary Stops Singing. Women's
Perspectives on Transforming Business, San Francisco CA (Berrett-Koehler),
1994 (Die Story des ersten Unternehmens, das Community Building grossflächig
einsetzte)
Gozdz, Kazimierz (Hrsg.), Community Building. Renewing Spirit and Learning
in Business, San Francisco CA (Sterling & Stone), 1995
Peck, M. Scott, Gemeinschaftsbildung:
Der Weg zu authentischer Gemeinschaft, Brandau: eurotopia-Verlag 2007
Peck M. Scott, Eine neue Ethik für die Welt, München (Goldmann),
1995 (Die letzten 120 Seiten behandeln Community Building, insbesondere
mit Blick auf die Wirtschaft.)
Shadel, Doug u. Thatcher, Bill, The Power of Acceptance. Building Meaningful
Relationships in a Judgemental World, (Newcastle Publishing), 1997 (Dieses
Buch enthält empirisch-statistische wie qualitative Studien über
die Ergebnisse von Community Building. Besonders interessant ist das
Kapitel über Carlisle Motors, einen Autohändler mit 600 Mitarbeitern,
von denen 500 an CB Workshops teilgenommen haben.)
Institutionen
Community
Crossroads
Gemeinschaftsbildung.com.
Die Internetseite von Götz Brase in Hamburg, der sich auf Community
Building spezialisiert hat
Le Mouvement vers l'esprit
communautaire in Quebec
Anhang
Gemeinschaft in Aktion
Erinnerungen eines legendären Basketballspielers
Bill Russell von den Boston Celtics
"Oft heizte sich unser Spiel so auf, dass es mehr war als ein physisches
Spiel - es wurde magisch. Dieses Gefühl ist schwer zu beschreiben,
und ich sprach nie darüber während ich spielte. Wenn es kam,
spürte ich, dass unser Spiel eine ganz neue Ebene erreichte. Es
kam selten und es dauerte zwischen fünf Minuten und einer Viertelstunde
oder mehr. Es umfing nicht nur mich und die anderen Celtics, sondern
auch die Spieler des anderen Teams und sogar die Schiedsrichter.
In diesem besonderen Zustand passierten alle möglichen merkwürdigen
Dinge. Die Hitze des Wettkampfs glühte weiss, und irgendwie hatte
ich trotzdem kein Gefühl des Wettbewerbs - was ein Wunder für
sich ist. Ich strengte mich wahnsinnig an und rannte mit die Lunge aus
dem Leib, und doch fühlte ich nicht den Schmerz. Das Spiel ging
so rasch, dass jeder Pass eine Überraschung war, und doch konnte
mich nichts überraschen. Es war beinahe so, als spielten wir in
Zeitlupe. In diesen Momenten konnte ich fast spüren, wie sich die
nächsten Spielzüge entwickeln würden. Sogar bevor das
andere Team den Ball an unseren Korb brachte, spürte ich es so
stark, dass ich meinen Kameraden zurufen wollte: "Da kommt er!"
Nur wusste ich, dass sich dann alles ändern würde. Meine Vorahnungen
waren beständig korrekt. Und ich fühlte dann immer, dass ich
nicht nur die anderen Celtics im Herzen kenne, sondern auch alle anderen
Spieler - und dass sie mich kennen. Es geschah viele Male, dass ich
mich bewegt oder freudig fühlte, aber dies waren die Momente, in
denen Wellen von Energie an meinen Wirbeln entlang fluteten." (9)
Auf den ersten Blick scheinen diese Erinnerungen von Bill Russell wenig
mit Gemeinschaft zu tun haben. Wo und wann soll auch auch während
des hitzigen Basketballspiels die authentische Kommunikation stattgefunden
haben, die Gemeinschaften auszeichnet? Doch wahre Gemeinschaft kann
auch ganz anders als durch Community Building und völlig
spontan entstehen - nämlich dann, wenn durch irgendeine andere
Ursache eine Gruppe von Menschen zu totaler Präsenz im Hier
und Jetzt findet. Gemeinschaft zeichnet sich nämlich genau dadurch
aus: Der Einzelne ist in der und für die Gruppe völlig präsent
und hat alles losgelassen, was ihn daran hindert. Das kann im Mannschaftssport
geschehen. Und es gibt ähnliche Berichte von Symphonieorchestern,
die unter der Leitung eines begnadeten Dirigenten über sich hinauswuchsen,
und von den Mannschaften von Kampfflugzeugen, die im Luftgefecht angeschossen
wurden und wo das Leben aller auf dem Spiel stand. Immer wurde eine
schier unglaubliche Leistungssteigerung und eine fast magisch anmutende
Kohärenz - ein Aufeinander-Eingestimmt-Sein - beobachtet. Das ist
Gemeinschaft in Aktion. Wenn die Energieblockaden, die uns davon abhalten,
in der Gruppe voll da zu sein, wegfallen, wird sehr viel Energie
frei. Energie für die gemeinsame Aufgabe.
Und noch etwas lernen wir aus Geschichten wie der von Bill Russell.
Gemeinschaft verlangt nicht, dass immer alles im Konsens geschieht.
Wenn die Zeit dazu da ist und die Thematik wichtig genug, ist Konsensfindung
der Weg, der eingeschlagen werden soll. Doch die Mannschaft des Kampfflugzeuges,
das angeschossen wurde, hat immer noch einen Kommandanten, der Befehle
erteilt - auch wenn diese, wie es tatsächlich beochbachtet wurde,
schon erahnt und ausgeführt werden, während er seine Stimme
erst erhebt.